Mittwoch, 2. Januar 2008

Von Hunden und Menschen, Artikel "Tyzden Nr.46"

Die Benutzung von Spürhunden bei der Ermittlung von Verbrechen hat eine lange Tradition. Sie werden vor allem bei der Spurensicherung benutzt, können aber auch erkennen, ob ein bestimmter Mensch mit einem bestimmten Gegenstand in Berührung gekommen ist. Dies können nur einige Hunde und nur manchmal.

Orgiginallink: http://www.tyzden.sk/sk/spolocnost/o_psoch_a_ludoch.php?set_hodnotenie=5


Der Spürsinn von Hunden kann manchmal unglaubliche Dinge entdecken. Die spezielle Rasse Bloodhound (Bluthund) kann Leistungen erbringen, die fast an Wunder grenzen - zum Beispiel einen Bombenkonstrukteur auch nach der Bombenexplosion aufspüren. In den Experimenten von R. Stockhamm konnten diese Hunde den Konstrukteur einer explodierten Bombe richtig aufspüren und das in 53 von 80 Fällen. (Forensic Science Communications, 6/4, 2004).

Bei solchen Eigenschaften könnten wir erwarten, dass Hunde einen bestimmten Gegenstand relativ genau erkennen können, mit dem irgendein Mensch in der Vergangenheit in Berührung gekommen ist. In dieser Frage ist die wissenschaftliche Gemeinschaft überraschend enthaltsam. In vielen Ländern wurde die Spurensicherung mittels Spürhunden in den 70ern und 80ern viel genutzt, in der Realität hatte diese Methode jedoch keinen hohen wissenschaftlichen Status. Seriöse Tests der Verlässlichkeit dieser Methode wurden erst in den 90ern durchgeführt und führten zu keinen repräsentativen Ergebnissen. Holländische Untersuchungen von G. Schoon ergaben, dass der Erfolg der Hunde bei der Identifikation der Gegenstände, die von einer Versuchsperson vorher gehalten wurden, ungefähr bei nur 30 Prozent liegt (Journal of Forensic Sciences, 43/1, 1998).

Dies heißt aber noch lange nicht, dass es sich um eine völlig unzuverlässige Methode handelt. Bei der Nutzung von speziell trainierten Hunden der Rasse Bloodhound (Bluthund), die einen 60-fach stärkeren Geruchssinn als deutsche Schäferhunde haben, kann sich der Erfolg vervielfachen. Auf jedem Fall handelt es sich dabei noch um eine offene Frage, die noch weiter erforscht wird. Außer der Erforschung von Verlässlichkeit bei der Erkennung menschlicher Gerüche durch Hunde, werden Untersuchungen durchgeführt, die die Ursprünge, Besonderheiten und Charakteristika der menschlichen Gerüche erforschen. Dabei ist interessant, wie wenig wir darüber wissen. Es existieren ein paar Theorien, die sich mit den Ursprüngen menschlicher Gerüche beschäftigen, keine ist aber allgemein anerkannt. Wir wissen viel darüber, wodurch unser Geruch beeinflusst wird, von der Genetik bis hin zur Diät und Umgebung, aber unser Verständnis ist zu allen diesen Einflüssen noch immer unvollkommen. Wir wissen mittlerweile, welche chemischen Stoffe unseren Gerüchen zugrunde liegen, aber weiter haben wir dabei noch erhebliche Lücken. Hunde und Gelsen können in unserem Geruch Details erkennen, die wir mit unseren analytischen Methoden nicht erfassen können. Da die Dressur von Gelsen eher schwierig erscheint, sind Hunde das Beste, was wir für die Aufspürung von Gerüchen zur Disposition haben.

  • Jeans

Im Fall Cervanova haben die Ermittler und die Staatsanwaltschaft Geruchsproben zur Überführung der Angeklagten benutzt. Im Bezug auf die nicht gerade hohe Verlässlichkeit der Methode (die in den vorigen Abschnitten erwähnt wurde) und der geringen Verlässlichkeit der Staatsanwaltschaft und Ermittlern bei der Beurteilung von wissenschaftlichen Fakten (erwähnt in den vorigen Artikeln) könnte man erwarten, das uns die Informationen von Geruchspuren wenig verraten werden. Das Gegenteil ist aber wahr.
Als die Kronzeugin bei den Gerichtsverhandlungen erklärte, dass sie am Tag der Tat nicht bei der Entführung, auch nicht bei der Vergewaltigung oder einem Mord von Ludmila Cervanova anwesend war, drohte dem Staatsanwalt die gesamte mühevoll erarbeitete Anklage fast einzustürzen. Er brauchte unbedingt etwas, was zumindest teilweise diesen unerwarteten Verlust kompensieren würde. So rückte er mit den Geruchsspuren, die ursprünglich nicht in der Anklageschrift vorkamen, aus.
Folglich ist beim Gericht ein schriftlicher Bericht von Miroslav Roznavsky aufgetaucht, wo ein Hund aufgrund von so genannten Geruchskonserven die Geruchspuren von Milos Kocur und Roman Brazda auf den Jeans von Ludmila Cervanova identifizierte. Dieser Zeuge war bei den Gerichtsverhandlungen nicht anwesend, die Verteidigung konnte ihm also keine Fragen stellen. Wie zum Beispiel, welches Zertifikat er für diese Expertise hat, oder wie die Expertise überhaupt stattgefunden hatte. Oder- und das wäre eine noch interessantere Frage – woher haben sie die Hosen von Ludmila Cervanova auf einmal gehabt, obwohl der Körper nackt vom Bauch bis unten aufgefunden wurde.
Der Senat des Berufungsgerichtes im Jahr 1983 kannte schon die Antwort auf diese Frage. Er wusste, dass es sich um Jeans von Ludmila Cervanova handelte, die nach der Tat im Schrank ihres Zimmers im Internat aufgefunden wurden. Es waren also Hosen, die Cervanova an dem schicksalsvollen Abend nicht angehabt hatte und dementsprechend hatten die Geruchsspuren der zwei Angeklagten keine Chance auf diese zu gelangen. Das Berufungsgericht hat deshalb entschieden, diese Geruchspuren als Beweis abzuweisen. Das war aber schade. Es handelte sich um einen sehr klaren Beweis. Die Geruchsspuren haben über die Täter ziemlich eindeutig ausgesagt. Zwar nicht über die Täter des Mordes an Ludmila Cervanova, aber anscheinend über die Täter einer anderen Straftat.

  • T-Shirt und Bluse

Das war aber noch nicht alles zu den Geruchsspuren.
Das nächste famose Stück haben die Ermittler und der Staatsanwalt im Falle der Kronzeugin aufgeführt, die wegen doppelter Falschaussage angeklagt wurde. Wieso doppelte Falschaussage? Na ja, es war folgendermaßen:
Als sie Viera Zimakova- Vozarova schon zum x-ten Mal im Juni 1981 verhaftet hatten, haben sie von ihr während der zwei Tagen andauernden Verhöre eine „spontane“ Zeugenaussage zur Entführung, Vergewaltigung und Mord, die fünf Jahre zuvor am 9.7.1976 stattgefunden haben sollen, bekommen. Aufgrund dieser Zeugenaussage wurde sie zurück zu ihrem gestillten Kind gelassen. Vier Monate später kam sie aber mit dem Beweis, dass sie am inkriminierten Tag auf keinen Fall in Bratislava sein konnte. Dieser Beweis ist eine Bestätigung ihrer Anwesenheit an einem Rafting Ausflug an der Hron (Anm.: Fluss in der Slowakei), was durch die Medizinische Fakultät der Kommenius Universität bestätigt ist. Diese Bestätigung übergab sie den Ermittlern mit der Anmerkung, dass ihr Alibi von dreißig Zeugen bestätigt werden kann.
Die Ermittler und der Staatsanwalt haben diese Tatsache als Falschaussage klassifiziert und diese Kronzeugin dementsprechend für drei Wochen eingesperrt. Zum Kind wurde sie erst entlassen, als sie einer genialen Idee zustimmte, dass sie zwar am Rafting Ausflug anwesend war, aber sich an dem Abend unbemerkt von dort entfernt hatte, per Anhalter mehr als 150 km nach Bratislava gefahren ist, wo sie die Diskothek besuchte und bei der Entführung, kollektiver Vergewaltigung und Mord teilnahm, damit sie schnell in der Früh ins Zeltlager wiederkehren konnte. Diese in den Himmel schreiende Absurdität hat sie dann in allen Phasen des Vorbereitungsverfahrens bezeugt. Die Tatsache, dass sie sich aus dem Ausflugsort nicht entfernte, hat sie erst an der Gerichtsverhandlung wiederholt, womit sie wahrscheinlich drei oder vier Menschenleben gerettet hat. Ohne ihre „krönende“ Zeugenaussage konnten die Richter und der Staatsanwalt nicht so hoch keilen. Na ja, diese Aussage wurde aber von diesem Gericht als zweite Falschaussage klassifiziert.
Im Februar des Folgejahres hat sie das Bezirksgerichtshof Bratislava für zwei Jahre Strafe verurteilt, wogegen sie berufen hatte. Die Anklage hatte wahrscheinlich befürchtet, dass sich das Berufungsgericht für die Umstände ihrer „spontanen“ Zeugenaussage interessieren könnte. Zum Beispiel, warum ihre „spontane“ Aussage keine Erwähnung zu einem Rafting Ausflug beinhaltet, stattdessen vielerlei Details, die eigentlich dieser unsinniger Version des nächtlichen Ausflugs nach Bratislava und zurück vollkommen entgegen sprechen. Deswegen hat sich der Staatsanwalt entschlossen, einen neuen materiellen Beweis zu bringen, die am Bezirksgericht nicht erwähnt wurden.
Die Rede ist selbstverständlich von Geruchsspuren. Die dazugehörige Passage aus dem Beschluss des Landesgerichtshofes Bratislava vom 6.4.1983 beinhaltet ein wortwörtliches Zitat: „Wie die Geruchsidentität bei der Angeklagten Vozarova festgestellt wurde, wurde ebenfalls mit den Gerüchen vom T-Shirt, Pullover und Bluse der Ermordeten L. Cervanova bewiesen, dass die Angeklagte im Kontakt mit dieser war, also hat diese Zeugin an den Tagen 6.10.1981 und 23.8.1982 falsch ausgesagt.“
Also Moment mal. Den Körper von Ludmila Cervanova hat man tatsächlich in einer Bluse und einem Pulli aufgefunden. Das heißt, dass im Prozess mit den angeblichen Tätern die Ermittler auf den Vergleich der Geruchsspuren von den Jeans angewiesen waren, die am Tatort sicher nicht gefunden wurden. Im Prozess mit der Kronzeugin hatten sie aber auf einmal Kleidung, in derer das Opfer aufgefunden wurde, zur Verfügung. Und wie soll das bitte zueinander passen? Was für ein Spiel haben die Ermittler und die Staatsanwaltschaft gespielt? Irgendetwas stinkt im slowakischen Staat. Und um die Wahrheit zu sagen, braucht man keine Hunde dafür, diesen Gestank eindeutig zu identifizieren.

Exkurs: Für kluge "Köpfchen"

  • Bei den Ermittlungen im Jahr 1976 war der Hauptverdächtige der Entführung und Mordes von Ludmila Cervanova Jan Hrmo. Was glauben sie, was haben die Geruchsspuren in seinem Fall gesagt?

(richtige Antwort: Der Bericht der ZNB (Polizei) der Hauptstadt Bratislava und desLandeskreises West vom Tag 28.9.1976 über Jan Hrmo und weitere zwei Beschuldigten besagt: „Weiters wurden ihnen Geruchsspuren entnommen und mit den Geruchsspuren der Sachen von Ludmila Cervanova verglichen, die in der Umgebung gefunden worden sind. Wie der Diensthund vom SVB Bratislava, als auch die Diensthunde vom SVB Brno bestätigen die Gleichheit dieser Spuren und den Geruchsspuren, entnommenen von Jan Hrmo.“ In der Causa Cervanova war von Anfang an gültig: „Wer einen schlagen möchte, findet den geeigneten Hund.“)

  • Was folgt aus der Annahme, dass Vera Zimakova-Vozarova die Wahrheit sagt und sich nicht vom Ausflugsort entfernt hatte?

(richtige Antwort: Aus dieser Annahme folgt, dass sie entweder verrückt geworden ist und die gesamte Geschichte über den Aufbruch aus Revisske Podzamcie (Ausflugsortschaft) nach Bratislava und zurück erfunden hatte, womit sie sich selbst einen erheblichen Schaden zufügt hatte. Oder, dass ihr diese Konstruktion von den Ermittlern und den beaufsichtigten Staatsanwalt aufgezwungen wurde, womit diese einige schwere Straftaten begangen haben. Wenn wir schon die Angeklagten genannt haben, ist es wahrscheinlich angebracht, die andere Seite zu nennen. Von den vielen erwähnen wir zumindest den Ermittler Vladimir Lamacka und den Staatsanwalt Milan Valasik)

  • Anhand vom Gutachten aus 23.2.1983 hat Viera Zimakova- Vozarova eine „Störung des Charakters und schwache moralische Qualitäten“ gezeigt. Ist dies eine zutreffende Charakteristik dieser Frau?

(richtige Antwort: Mit einer fast hundertprozentigen Wahrscheinlichkeit ist dies eine falsche Charakteristik. Frau Viera Zimakova- Vozarova hat einen starken Charakter und moralische Qualitäten gezeigt, die man nur selten findet. Sie hat etwas getan, zu dem viele von uns nicht fähig wären. Und dafür verdient sie wirklich Respekt und Dankbarkeit.
Nicht nur von den sieben aus Nitra stammenden Männern, sondern von uns allen.)

.martin Mojžiš